Mittwoch, 30. November 2011

Parlamentswahlen in Ägypten haben begonnen

In Ägypten hat am Montag die erste Parlamentswahl seit dem Sturz des Regimes von Präsident Husni Mubarak begonnen. In angespannter Atmosphäre öffneten am Morgen die Wahllokale. Ein offizielles Ergebnis wird erst am 13. Januar erwartet, da die Abstimmung in mehreren Stufen erfolgt.

Ungeachtet der anhaltenden Massenproteste gegen die Militärmachthaber haben am Montag in Ägypten die ersten Parlamentswahlen seit dem Sturz von Präsident Husni Mubarak im Februar begonnen. Der Prozess ist äußerst komplex und wird sich bis März kommenden Jahres hinziehen.

Zu der Abstimmung sind 50 Millionen Ägypter aufgerufen. Sie müssen sich in Ägyptens zersplitterter Parteilandschaft zwischen mehr als 6000 Kandidaten und über 400 Parteilisten entscheiden. Viele Bewerber sind völlig unbekannt. Kritiker fürchten, dass sich deshalb vor allem diejenigen durchsetzen, die bereits über ein gewisses politisches Profil verfügen - allen voran die Muslimbrüder und Vertreter aus dem Umfeld Mubaraks. Da es jedoch keine verlässlichen Meinungsumfragen gibt, sind Vorhersagen äußerst schwierig.

Wichtigste Aufgabe des neuen Parlaments wird die Einsetzung einer verfassungsgebenden Versammlung sein. Der Militärrat, der nach Mubaraks Sturz de facto die Führung des Landes übernahm und sich seit über einer Woche mit teils gewaltsamen Massenprotesten konfrontiert sieht, wird aber an der Macht bleiben, bis ein ziviler Präsident gewählt ist. Dies soll im Juni 2012 geschehen.

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"Ich wünsche, dass es eine ehrliche Wahl wird" - Parlamentswahl in Ägypten - www.tagesschau.de

Dienstag, 29. November 2011

Europa auf dem Weg zur Schuldenunion

Nur einen Monat nach den Beschlüssen des Brüsseler Gipfels streitet Europa wieder um die richtigen Mittel gegen die Schuldenkrise. EU-Kommissionspräsident Barroso legte diese Woche Pläne für die Einführung von Eurobonds vor, gemeinsamen Anleihen aller Euro-Staaten. Doch Kanzlerin Merkel erteilte ihm eine Abfuhr.

Auch der Plan der Franzosen, die Europäische Zentralbank solle Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Staaten in großem Stil aufkaufen, ist nach einem Treffen von Merkel mit Frankreichs Präsident Sarkozy und Italiens Ministerpräsident Monti erstmal wieder vom Tisch. Stattdessen soll die Euro-Zone zur Fiskalunion ausgebaut werden.

Doch der Druck nimmt zu: Portugals Kreditwürdigkeit wurde diese Woche auf Ramsch-Niveau herabgestuft, die Zinsen für italienische und spanische Anleihen schießen in die Höhe und Deutschland bleibt erstmals auf einem Teil seiner Staatsanleihen sitzen.

Ist damit die Krise in Deutschland angekommen? Wären Eurobonds ein wirksames Mittel gegen die Krise oder sollte die EZB eine größere Macht bekommen? Ist der Euro-Rettungsschirm schon gescheitert und Europa jetzt auf dem Weg zur Schuldenunion? Darüber diskutiert WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn im ARD-Presseclub mit seinen Gästen.

Montag, 28. November 2011

Die Schmähung des "Wutbürgers"

Der Begriff "Wutbürger" ist ein mediales Schlagwort, das in Deutschland als Neologismus im Jahre 2010 aufkam. Bei dem betreffenden Personenkreis handelt es sich vornehmlich um eine ältere und wohlhabende konservative Personengruppe, die sich mit „Wut“ und „Empörung“ gegen als Willkür empfundenen politischen Entscheidungen wendet, und sich durch einen ausdauernden Protestwillen auszeichnet.

Die Schmähung des mit den Zuständen unzufriedenen (deutschen) Bürgers durch konservativ-wirtschaftsliberale Kreise fiel erstmals im Gefolge der Proteste gegen das Projekt "Stuttgart 21" auf. Hier tauchte zum ersten Mal der pejorative Begriff "Wutbürger" auf, mit dem auch die nichtkonservative Presse fortan im Übrigen sehr unreflektiert umging.

Jegliches Erregungspotential, sei es nun mehr oder weniger berechtigt, wurde nun in seiner Legitimation heruntergedimmt auf seinen krawalligen und daher dubiosen Absender, eben den Wutbürger, der immer gleich für oder gegen alles auf die Palme (oder Juchtenkäfer-bewohnte Eiche) geht. Der schmähende Gesamteindruck, der so über protestierende Bürger geschürt werden sollte, war mit dem Label "Wutbürger" bestens erzeugt.

Dem sogenannten „Wutbürger“ wurden in einigen Medien auch negative Eigenschaften zugeschrieben, zum Beispiel „renitent“, „egoistisch“ und „spießbürgerlich“.

Die Renitenz, die in diesem Begriff anklingt und die als skeptische Kraft zunächst nichts Schlechtes ist, soll als psychisch-affektive Disposition (Wut, Zorn, notorische Reaktanz) disqualifiziert und als nicht wirklich politisch inspiriert verunglimpft werden. (Zugestehen muss man allerdings, dass manche Gruppen von z.B. NGO's bei ihrer Benennung sich keinen wirklichen Gefallen damit getan haben, sich einiger Metaphern aus dem Begriffsumfeld der Hysterie zu bedienen wie per exemplum "Aufschrei". Wer aufschreit, neigt zum Kreischen und zur hysterischen Exaltatio, Kreischen wirkt immer überfordert, wahlweise: hirnlos.)

Berechtigte wohlüberlegte Kritik dagegen als Wutbürgertum zu schmähen, stellt eine Gemeinheit dar, die natürlich nur konservativen Betonköpfen einfallen kann. Als Remedur gegen Jammer aus Habit und Langeweile empfiehlt sich also unserem Deutschland-Modellbewohner in seinem propagiertem Wohlstand und Wohlergehen der Verweis auf den Status quo im feudalen föderalen Bundes-Paradies Deutschland in Deutschland hat man schon aus Prinzip nun das wutbürgerliche Maul zu halten, denn es geht uns hier gut - verordnet per Dekret.

Europa auf dem Weg zur Schuldenunion



Nur einen Monat nach den Beschlüssen des Brüsseler Gipfels streitet Europa wieder um die richtigen Mittel gegen die Schuldenkrise.EU-Kommissionspräsident Barroso legte diese Woche Pläne für die Einführung von Eurobonds vor, gemeinsamen Anleihen aller Euro-Staaten. Doch Kanzlerin Merkel erteilte ihm eine Abfuhr.

Auch der Plan der Franzosen, die Europäische Zentralbank solle Staatsanleihen hoch verschuldeter Euro-Staaten in großem Stil aufkaufen, ist nach einem Treffen von Merkel mit Frankreichs Präsident Sarkozy und Italiens Ministerpräsident Monti erstmal wieder vom Tisch. Stattdessen soll die Euro-Zone zur Fiskalunion ausgebaut werden.

Doch der Druck nimmt zu: Portugals Kreditwürdigkeit wurde diese Woche auf Ramsch-Niveau herabgestuft, die Zinsen für italienische und spanische Anleihen schießen in die Höhe und Deutschland bleibt erstmals auf einem Teil seiner Staatsanleihen sitzen.

Ist damit die Krise in Deutschland angekommen? Wären Eurobonds ein wirksames Mittel gegen die Krise oder sollte die EZB eine größere Macht bekommen? Ist der Euro-Rettungsschirm schon gescheitert und Europa jetzt auf dem Weg zur Schuldenunion? Darüber diskutiert WDR-Chefredakteur Jörg Schönenborn im ARD-Presseclub mit seinen Gästen.

Sonntag, 27. November 2011

Der zweite Teil der Revolution

Protestierende auf dem Tahrir-Platz

Das grosse Versprechen der ägyptischen Revolution nach Freiheit ist nicht eingelöst wurden. Das Militär hat das Versprechen aus Ablehnung der Demokratie nicht einlösen wollen. Die Revolutionäre wurden um ihre Hoffnungen betrogen. Auf dem Tahir in Kairo tobt der zweite Teil der Revolution. Viele bedauern, den Tahir-Platz im Januar verlassen zu haben.

In Ägypten ist das Volk unzufrieden mit der Herrrschaft des Militärs. Diese Herrschaft ist nicht das, wofür sie im Januar auf die Strasse gegangen sind. Das Volk fühlt sich vom Militär nicht vertreten.

Der Tahir-Platz ist immer noch das Symbol des Wandels. Die Menschen auf dem Platz wollen das Militär stürzen sehen, denn das Militär ist nicht die Interessenvertretung des Volkes. Ägyptens Militär führt in dem Land ein Eigenleben, schon immer. Das Militär hält von Demokratie wenig, weil diese eigenen Regeln von Mehrheit und Minderheit folgt und nicht einem steuerbaren Mechanismus von Befehl und Gehorsam.

Das Land am Nil ringt mit sich selbst und der Ausgang des Protestes wie der auch am Montag stattfindenden Wahlen ist nach wie vor offen. Die Atmosphäre ist zum Zerreissen gespannt. Der Mut, die Einsatz- und Opferbereitschaft der Demonstrierenden wird am Ende über den Ausgang entscheiden.

Mittwoch, 23. November 2011

Tausende beharren auf Rückzug des Militärrats

Tausende Demonstranten auf dem Tahrir-Platz in Kairo

Auch nach der Ankündigung des in Ägypten herrschenden Militärrats, die Macht bis Mitte nächsten Jahres an eine zivile Regierung zu übergeben, dauern die Proteste auf dem Tahrir-Platz an.

In der Nacht harrten erneut Tausende Demonstranten auf dem zentralen Platz in Kairo aus und forderten lautstark die Ablösung des Militärrats, der viele Ägypter nur der verlängerte Arm des Mubarak-Regimes ist.
Auf dem Tahrir-Platz tobt der zweite Teil der Revolution. Die Demonstranten wollen, dass der Militärrat die Macht umgehend an eine zivile Regierung übergibt. Tausende beharren auf dem Rückzug des Militärrats. Sie kündigten an, den Tahrir-Platz solange besetzt zu halten, bis ihre Forderungen erfüllt seien.

Die Forderungen der Demokratiebewegung sind: Rückzug von Marschall Hussein Tantawi und dem Militärrat, Übergabe der Macht an eine zivile Regierung. Sie protestieren auch gegen Kamal al Gansuri, der schon einmal Ministerpräsident war, drei Jahre lang, unter dem gestürzten Präsidenten Hussein Mubarak und der vom Obersten Militärrat als neuer Regierungschef ernannt wurde.

Der Militärrat hat wiederholt versprochen, die Macht nach den Präsidentschaftswahlen Ende nächsten oder Anfang übernächsten Jahres an eine gewählte Regierung zu übergeben, aber bisher kein genaues Datum genannt. Genau dieses fordern die Demonstranten aber - ihnen dauert das zu lange, sie werfen dem Militärrat vor, die Entscheidung unnötig in die Länge zu ziehen, und fordern eine Machtübergabe direkt nach dem Ende der Parlamentswahlen im März.

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Gewalt in Ägypten gefährdet Parlamentswahlen - Proteste gegen Militärrat - www.spiegel.de

Dienstag, 22. November 2011

Die Revolutionäre fühlen sich um Revolution betrogen

Protestierende auf dem Tahrir-Platz


In Ägypten haben die jungen Revolutionäre Hosni Mubarak aus dem Amt gejagt, nun wollen sie auch den Militärrat zwingen, die Macht wieder abzugeben. Der Tahrir-Platz in Kairo ist wieder Schauplatz blutiger Kämpfe. Es sind die blutigsten Krawalle seit dem Sturz von Ex-Machthaber Husni Mubarak - und ein Ende ist bisher nicht in Sicht.

Auch am Sonntag kam es in mehreren Städten Ägyptens erneut zu Straßenschlachten. Mit Tränengas und Gummigeschossen ging die Polizei gegen Tausende Menschen vor, die in Kairo und in anderen Städten gegen den regierenden Militärrat unter Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi demonstrierten.

Der Tahir-Platz ist zu einem Platz nervöser Anspannung geworden. Auf dem Tahrir-Platz kommt es immer wieder zu Ausschreitungen. Die Unruhen haben bereits tausende Verletzte gefordert. Die anhaltenden Proteste in Ägypten richten sich gegen den Militärrat. Der Vorsitzende des Militärrates, Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi, ist für sie der neue Mubarak.

"Der Militärrat setzt die Politik von Mubarak fort, nichts hat sich nach der Revolution verändert"
, sagte ein 29 Jahre alter Demonstrant. Ein anderer beklagte das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte. "Sie schlagen uns hart, sie haben sich nicht darum geschert, ob es Frauen oder Männer waren", sagte der 32-jährige Mann. "Wir haben eine Forderung: Der Militärrat muss gehen."
Die Revolutionäre fühlen sich inzwischen um ihre Revolution betrogen. Die Demonstranten fordern eine schnellere Übergabe der Verantwortung an eine zivile Regierung. Bislang ist geplant, dass der Militärrat die Macht nach der Präsidentschaftswahl abgibt.

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Gewalt in Ägypten gefährdet Parlamentswahlen - Proteste gegen Militärrat - www.spiegel.de

Samstag, 19. November 2011

Zaghafter Vorschlag einer "Digitalen Agenda"

SPD im Schatten

Die SPD - bisher nicht unbedingt als Vorreiter in der Netzpolitik aufgefallen - will die Netzpolitik mit den Menschen durch den Vorschlag einer Arbeitsgruppe "Digitale Agenda" versöhnen. - Aber kann das überhaupt funktionieren? Schon die Eingliederung dieser Agenda als "Unterarbeitsgruppe" - aus Mangel an Kompetenz - ist doch höchst aufschlußreich: ein glatter Offenbarungseid digitaler Inkompetenz.

Kunst und Kultur müssen laut SPD für alle Menschen zugänglich sein und kreative Arbeit darf nicht ausgebeutet werden. Außerdem will die SPD, dass alle Bürgerinnen und Bürger Zugang zu den Möglichkeiten haben, die das Netz bietet. Und sie gleichzeitig ausreichend schützen. Darum geht es - oh welch Fortschritt - in der Arbeitsgruppe „Kultur und Medien mit der Unterarbeitsgruppe Digitale Agenda“.

Die Unterarbeitsgruppe „Digitale Agenda“ beschäftigt sich mit Netzpolitik als Gesellschafts- und Zukunftspolitik. Der Zugang zum Internet ist ein demokratisches Bürgerrecht. Und Netzneutralität kann nur gewährleistet werden, wenn alle Daten im Internet gleich behandelt werden. Das will die SPD gesetzlich verankern. Die SPD wird sich außerdem dafür einsetzen, einen wirksamen Datenschutz zu etablieren und Persönlichkeitsrechte wirklich zu schützen.

Netzpolitik, das ist Breitbandausbau, Datenschutz, Netzneutralität, Urheberrecht, digitale Wirtschaft, digitale Bildung, Medienkompetenz. Mit all diesen Feldern hat sich die Internet-Enquete des Bundestages in der vergangenen Legislatur schon beschäftigt, hat Empfehlungen für die Politik erarbeitet.

Obwohl die Verhandlungen zur "Digitalen Agenda" beginnen, ist die Netzpolitik längst kein Selbstläufer. Zwar hätten in der SPD alle dazugelernt, aber die Partei müsse sich weiter anstrengen. Das zarte Pflänzchen will begossen werden, bis es mal zu einer richtigen Pflanze wird. In den nächsten Jahren soll die Netzpolitik jedenfalls als Querschnittsthema etabliert werden.

Weblink:

Kultur und Medien mit der Unterarbeitsgruppe Digitale Agenda - www.spd.de

Blog-Artikel:

 Netzpolitik ist noch kein Selbstläufer

Sonntag, 6. November 2011

Zwei Jahre Straflager für 40 Sekunden Punk

Zwei Jahre Straflager für 40 Sekunden Punk und öffentlichen Krawall: Das Urteil gegen die aufmüpfige russische Punk-Band »Pussy Riot«, eine 2011 gegründete feministische, regierungs- und kirchenkritische Punkrock-Band aus Moskau, hat die Welt empört. Frontfrau Nadeschda Tolonnikowa sagte: "Wir hätten nie gedacht, dass die Staatsmacht so dämlich ist." - "Ich kann es kaum glauben", schrieb die Punk-Sängerin vor dem Urteil in einem offenen Brief, "dass alles kein Traum ist"
.
Tatsächlich ist unfassbar, was sich die gnadenlose russische Justiz mit dem Urteil gegen die Band Punkband »Pussy Riot« geleistet hat. Soviel lauter Krawall in einer orthodoxen Kirche war der russischen Staatsmacht dann doch zuviel. Ihr jugendlicher Protest und ihr schrilles Punk-Gebet kommen den Krawallschachteln von »Pussy Riot« nun teuer zu stehen: Zwei Jahre sollen die drei jungen Frauen in ein Straflager, weil sie 40 Sekunden lang in der Orthodoxen Christus-Erlöserkirche in Moskau im Allerheiligsten ihr schrilles Punk-Gebet "Gottesmutter, befrei' uns von Putin" skandierten. "Rowdytum" und "Verbreitung von religiösem Hass" wird ihnen laut Anklage vorgeworfen.

Pussy Riot

Die russische Staatsmacht - bereit, den Aufstand niederzuschlagen - hat sich entblößt und dabei ihr häßliches Gesicht gegen die aufmüpfigen »Pussys« gezeigt - eine Fratze. Das Urteil der Justiz eine Farce. Harte Strafen gegen die jungen Frauen sind die Münze, mit der die Staatsmacht den Protest heimzahlt. Das harte Urteil der Justiz löste einen Aufschrei des Protestes aus: "Schande!", schrien Zuhörer über das Urteil im Gerichtssaal. "Die ganze Welt lacht über unser absurdes Land!", schrie ein junger Mann. Der Schriftsteller Boris Akunin schimpfte: "Ich habe keine Worte mehr für diese Idiotie!"

Empörte Moskauer demonstrierten vor dem Gerichtsgebäude. Rund 30 sollen verhaftet worden sein und wurden mit Polizeiwagen weggebracht. Darunter Schach-Großmeister und Oppositionspolitiker Garry Kasparov, der laut einem Gespräch mit der Agentur Interfax nur als Zuschauer da gewesen sei und gerade mit einem Journalisten gesprochen habe, als die Polizisten ihn wegzerrten. Später sei er geschlagen worden.

Die jungen Frauen der Punk-Band nahmen das harte Urteil auf Geheiß von oben mit einem Lächeln hin. An eine Bewährungsstrafe hatte kaum jemand mehr geglaubt, nachdem die drei bereits seit März in Untersuchungshaft saßen. "In der Untersuchungshaft ist die Schuldvermutung am schwersten auszuhalten", sagten die Mädchen im Interview mit der russischen Zeitung "Nowaja Gaseta". "Alle halten alle Untersuchungshäftlinge apriori für schuldig." Freisprüche kommen in der russischen Rechtsprechung kaum vor – in 80 Prozent aller Fälle folgt der Richter den Forderungen der Staatsanwaltschaft.

Auch in diesem Urteil gab die Richterin Marina Syrowa Stunden lang die Argumente der Anklage wieder. Drei Stunden lang dauerte die Urteilsverkündung, auf 3.000 Seiten Ermittlungsunterlagen hatte die Moskauer Staatsanwaltschaft die 40 Sekunden Auftritt genau analysiert. Ausführlich zitierte Syrowa Gläubige, die von den "teuflischen Zuckungen" der Mädchen angeblich bis heute traumatisiert sind.

Angeblich vom Auftritt der Band mit ihrem "Muschi-Krawall" traumatisierte Opfer wurden als Zeugen vor Gericht geladen. "Ich verspüre Verbitterung und Schmerz angesichts des Gesehenen", hatte eine Besucherin der Kathedrale vor Gericht erklärt. "Der Schmerz vergeht nicht." Ein Wachmann der Kathedrale sei nach dem Blitz-Auftritt der Mädchen zwei Monate nicht mehr arbeitsfähig gewesen. Immer wieder beschrieb die Richterin ausführlich, dass die Frauen sich in der Kirche nicht nach kirchlichen Normen verhalten hätten, als sei in Russland bereits ein kurzes Kleid im Gotteshaus strafbar.

Weblinks:

Frontfrau prophezeit Putin "heißen Herbst" - www.stern.de
Frauen Punkband Pussy Riot - www.stern.de
Garry Kasparov Protest - www.chessdom.com

Pussy Riot - Wikipedia
Nadeschda Tolokonnikowa - Wikipedia

Blog-Artikel:

Ein hartes Urteil gegen Pussy Riot
»Ein Tag im Leben des Iwan Denissowitsch« von Alexander Solschenizyn
Ein Tag aus dem Leben der Nadeschda Tolokonnikowa